Dienstag, 14. September 2010
Vorbereitung auf das Derby - Union gegen Hertha
Na dann nochmal alles durchgehen:

Hosen? Hab ich.
Pullover? Dick und dünn, alles da.
Reisepass? Auch eingesteckt!

Man könnte sagen: ich bin gut vorbereitet.

Am Freitag ist es so weit, Union trifft auf Hertha. Zum ersten mal seit langer, langer Zeit treffen die beiden noch verbliebenen Berliner Traditionsvereine im Berliner Profifussball aufeinander (wenn man Union Oberschöneweide nicht als legitimen Vorgänger vom 1. FC Union Berlin anerkennen mag: noch nie). Und nein, Tebe und den BFC kann man momentan nicht mehr wirklich dazuzählen. Zu unbedeutend sind sie zur Zeit, die einstigen großen Rivalen der Protagonisten des 4. Spieltages der 2. Liga (bevor einer schreit: die Betonung des Satzes liegt auf 'zur Zeit').

Nicht Union gegen den BFC, und auch nicht Hertha gegen Tebe heißt es am Freitag. Ich gebe zu, vor allem letztere Paarung hätte für mich - und sicherlich nicht nur für mich - auch so ihren Reiz. Und die Unioner würden sich sicherlich auch wünschen, den BFC mal wieder aus der Alten Försterei schießen zu dürfen. Aber Union gegen Hertha ist, zumindest aus aktueller Sicht, reizvoller. Nicht, dass es ein Kampf auf Augenhöhe wäre. Zumindest diese eine Saison ist Hertha von der Mannschaft her noch zu deutlich überlegen (falls der direkte Wiederaufstieg aber nicht gelingt, droht der Fall ins Bodenlose). Was die Derbys ausmacht, ist vor allem das Interesse in der Stadt. Was das angeht sind Union und Hertha aktuell ohne Zweifel die Platzhirsche.

Hertha fehlte in den letzten Jahren ein Derby. Während die Vereine im Ruhrpott gefühlt jedes 3. Wochenende gegen einen Lokalrivalen antreten dürfen, war es geografisch um Berlin herum etwas dünne geworden in der 1. Bundesliga. Tebe, Ende der 90er mit Bestrebungen, klinisch tot. Cottbus abgestiegen. Union ohne das notwendige Potential für Liga 1 (und die Unioner sind wohl nichtmal unglücklich darüber, in der 1. Liga bräuchte man ja noch mehr Sitzplätze). Mit viel gutem Willen konnte man Rostock noch zum Nord-Ost-Derby hochstilisieren - vorbei. Also freute man sich auf Wolfsburg, Hamburg oder Hannover. Zwar keine Derbys, dafür aber wenigstens halbwegs schnell zu erreichen. Für ein echtes Derby braucht es jedoch Gegner, die man ansehen kann. Nicht am Spieltag im Stadion, sondern Woche für Woche, Tag für Tag. Auf der Straße, in der S-Bahn, auf der Arbeitsstelle, im Supermarkt um die Ecke. Arbeitskollegen, denen man vielsagend entgegen grinst 'euch machen wir platt' und die zurückgrinsen 'denkste, wir fügen euch die übelste Blamage bei, die ihr euch erträumen könnt'. Das war es, was mir die letzten Jahre gefehlt hat. Für dieses Kribbeln im Magen war es beinahe schon wert abzusteigen und eine Saison zu erleben, die sich der Durchschnittsfan nur im Albtraum ausmalen kann. Am Freitag bekommen wir unser Trostpflaster - mit Blümchen drauf. Oder uns bleibt das Lachen im Hals stecken. Aber ohne dieses Damokles-Schwert gehts nicht: ohne Spieleinsatz macht das Gewinnen keinen Spaß.

Die ersten drei Spieltage haben beide Clubs ihr möglichstes getan, um die Favoritenrolle deutlichst nach Charlottenburg zu schieben. Während die Köpenicker eher etwas stockend in Gang gekommen sind (falls überhaupt), läuft es bei Hertha sogar besser, als ich dachte. Die gefürchteten Startschwierigkeiten in der 2. Liga sind ausgeblieben. Und genau da ist jetzt der Haken (und auch der Reiz des Spiels): zu oft schon haben wir gesehen, wie sich Hertha gegen vom Papier her unterlegene Mannschaften bis auf die Knochen blamiert hat. Gruselig, wenn man an "Highlights" der "jüngeren" Vergangenheit wie etwa in Kiel, Braunschweig oder [b]gegen Tebe[/b] zurückdenkt. Ja, richtig, das waren alles verlorene Spiele gegen damals unterklassige Teams. Union spielt diesmal in derselben Liga. Aber jeder (selbst viele Unioner) rechnen mit einem Sieg der alten Dame. Je weiter das Vorzeichen-Pendel zugunsten von Hertha ausschwingt, desto misstrauischer werde ich. Was wenn Hertha, getreu der Tradition, mal wieder eins der wichtigsten Spiele kolossal in den Sand setzt.

Aber ich bin auf alles vorbereitet. Wenn Hertha dieses Derby verliert, dann schnappe ich mir die gepackte Tasche und verlasse für mindestens 3 Wochen die Stadt, das Land, den Kontinent. Und die grinsenden Gesichter meiner rot-weißen Arbeitskollegen - die können dann meinen leeren Stuhl angrinsen. Aber vielleicht läuft ja doch alles ganz normal und Hertha gewinnt. Dann ... ja okay, dann verreise ich auch. ;-)

Auch wenn Hertha am Freitag deutlich mehr zu verlieren, als zu gewinnen hat - endlich wieder ein echtes Derby.

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